Die Nutzung von Handy, Tablet und Co. ist in vielen Familien ein häufiges Streitthema. Bestimmt kennen auch Sie die Diskussionen darüber, wie lange das Kind noch spielen oder surfen darf. Viele Eltern machen sich Sorgen, dass es ungesund ist, wenn ihr Kind zu viel Zeit mit digitalen Medien verbringt. Doch ab wann ist viel zu viel und wie erkennt man, wenn sich eine Sucht anbahnt?
Neben dem Spaßfaktor machen psychologische Mechanismen Medien so fesselnd. Viele Games und Apps haben kein klares Ende – Kinder können theoretisch endlos weiterspielen. Steigende Herausforderungen wecken Ehrgeiz, das nächste Level zu schaffen, und machen das Abschalten schwer.
Ähnlich ist es bei Messenger-Diensten und Social-Media-Angeboten. Über WhatsApp, Instagram, Snapchat und Co sind wir immer erreichbar und können jederzeit schnell und einfach mit anderen kommunizieren. Soziale Netzwerke sind extra darauf angelegt, uns lange auf der Plattform zu halten, indem uns beim Scrollen im Feed immer wieder neue Inhalte angezeigt werden. Auch sind kleine Belohnungseffekte eingebaut, die für einen Moment glücklich machen und dazu führen, dass wir immer weiter machen. Wenn Ihr Kind zum Beispiel ein Bild auf Instagram postet und darauf Likes und positive Kommentare erhält, wirkt das wie eine soziale Belohnung. Es aktiviert die gleichen Areale im Gehirn wie das Essen von Süßigkeiten oder Drogenkonsum.
Wenn Kinder viel Zeit mit Medien verbringen, steht bei Eltern schnell das Thema „Sucht“ als Szenario im Raum. Dabei ist es aber wichtig, sich näher damit zu beschäftigen, was „Sucht“ eigentlich bedeutet – denn lange Nutzungszeit allein macht noch keine Abhängigkeit. Phasenweise intensive Nutzung – etwa in der Pubertät – ist normal. Wird das Verhalten Ihres Kindes jedoch über längere Zeit auffällig, lohnt es sich, genau hinzusehen und gegebenenfalls zu reagieren.
Für eine tatsächliche Sucht gibt es klare Kriterien, an denen Sie sich orientieren können:
Wenn Sie solche Dinge beobachten, sollten Sie aufmerksam werden und Hilfe suchen.
Dabei ist es wichtig zu wissen: „Mediensucht“ selbst ist kein medizinischer Fachbegriff. Im ICD, dem internationalen Verzeichnis der Krankheiten,wird unter dem Punkt zu „(Exzessiver) Mediennutzung“ beschrieben, wie Gamen, Chatten und Surfen im Falle einer übermäßigen Nutzung aussehen kann. Außerdem wird exzessive Mediennutzung als „Verhaltenssucht“ anerkannt und behandelt. Etwa 600.000 Kinder waren laut einer Studie im Jahr 2023 von einer solche Verhaltenssucht betroffen.
Da Mediensucht aber eben mehr ist als nur viel Zeit am Bildschirm, muss auch der Umgang damit komplexer sein. Medienzeiten zu reduzieren ist ein guter erster Schritt, genügt aber nicht, weil nicht nur die Symptome, sondern auch die Gründe oft vielfältig sind und nicht ausschließlich mit dem medialen Angebot zu tun haben.
Wichtig ist deshalb vor allem: Bleiben Sie in Kontakt mit Ihrem Kind. Beobachten Sie es, seien Sie interessiert an seinem Alltag und fragen Sie nach – noch bevor es ein Problem gibt. Reden Sie darüber, welche Medien Ihr Kind nutzt und warum. Zeigen Sie Interesse an Lieblingsspielen oder Videos, fragen Sie, auf welchen Plattformen es unterwegs ist und was daran so toll ist. Erklären Sie Ihrem Kind, mit welchen Mitteln Plattformen wie TikTok arbeiten, um Nutzer*innen so lange wie möglich bei sich zu halten.
Vereinbaren Sie gemeinsam feste Medienzeiten und Regeln – aber machen Sie sich zugleich auch auf die Suche nach anderen Faktoren, die ein problematisches Medienverhalten begünstigen können. Bieten Sie Ihrem Kind das Gespräch an, wenn es im Freundeskreis oder im Verein Konflikte gibt oder die Schule belastend ist und suchen Sie zusammen Lösungen und Strategien, den Alltag ausgewogen und vielseitig zu gestalten. Seien Sie dabei auch selbst Vorbild in Ihrer eigenen Mediennutzung und Alltags-Gestaltung.
Sollten Sie gar nicht mehr weiterwissen und das problematische Verhalten Ihres Kindes anhalten, werden Sie aktiv. Machen Sie sich gemeinsam auf die Suche, ob hinter einer ständigen Mediennutzung möglicherweise andere Gründe stecken und wie Sie dafür Lösungen finden. Suchen Sie sich Hilfe von außen. Als erste Anlaufstelle können Sie die Vertrauenslehrer*innen an der Schule Ihres Kindes oder Kinderärzt*innen ansprechen. Sie können außerdem die Nummer gegen Kummer anrufen, eine digitale Beratungsplattform oder eine Suchtberatungsstelle kontaktieren.