Nicht mehr Kind, aber noch nicht erwachsen: Jugendliche stecken in einer spannenden Phase. Sie formen ihre Identität und ihre Meinungen, suchen ihren Platz in der Welt und Menschen, mit denen sie sich wohlfühlen. Dabei stellen sie viele Fragen, sind neugierig und offen für vieles. Das eröffnet Chancen für neue Ideen – kann aber auch ein Einfallstor für extremistische Weltanschauungen sein.
Extremismus tritt in vielen Formen auf – sei es Rechts- oder Linksextremismus, religiöser Extremismus oder in Form von Verschwörungsmythen. All diesen Ausprägungen gemeinsam ist, dass sie mit einfachen, aber irreführenden Antworten arbeiten, die erst auf den zweiten Blick als falsch entlarvt werden können, dass sie den Menschen vermeintliche Sündenböcke für jedes Problem präsentieren und Hass schüren.
Mit stark vereinfachten Inhalten und kurzen Aussagen versuchen Extremist*innen, Jugendliche über Onlinekanäle zu erreichen. Sie setzen auf aktuelle Netztrends wie unterhaltsame Videos und Bilder, posten Memes und scheinbar lustige Bilder oder verbreiten Falschmeldungen, um ihre Botschaften unauffällig und einprägsam zu verbreiten. Dabei sind sie in allen großen Netzwerken aktiv – sei es YouTube, WhatsApp oder Facebook.
Besonders TikTok ist ein bevorzugtes Medium. Es wird von mehr als der Hälfte aller 12- bis 19-Jährigen genutzt und bietet durch seinen Algorithmus eine enorme Reichweite. Durch eingängige und scheinbar harmlose Clips sorgen Extremist*innen hier dafür, dass ihre Inhalte vom Algorithmus in viele Kanäle gespült werden – und profitieren dann davon, dass sich Inhalte auf dem Netzwerk wie Schneebälle verbreiten, sobald Nutzer*innen damit interagieren. Die Jugendlichen, die die Clips ansehen und teilen, wissen zunächst oft selbst nicht, dass sie extremistisches Gedankengut unterstützen, weil die Botschaften zunächst nur sehr versteckt und subtil in scheinbar harmlose Lieder oder Clips eingebaut sind. Diese Videos werden häufig geteilt, bevor Jugendliche deren problematischen Ursprung erkennen.
Auch Netzwerke wie Discord, die eigentlich für Gaming genutzt werden, werden oft von Extremist*innen genutzt. Sie klinken sich hier in Gaming-Gruppen ein, stellen Kontakt über ein gemeinsames Spiel her und verbreiten dann ihre Ideologie. Dafür nutzen sie häufig auch Bilder oder bekannte Geschichten aus Spielen, um diese für ihre eigene Botschaft umzudeuten. Für Jugendliche kann hier schnell die Grenze zwischen dem eigentlichen Spiel und der extremistischen Botschaft verschwimmen.
Besonders aktiv im Internet sind Rechtsextremist*innen und Islamist*innen. Wenn ihre Propaganda klar erkennbar ist, kann sie von den Betreibern der Plattformen meistens schnell gelöscht werden. Deshalb weichen die Extremist*innen nach dem ersten Kontakt gerne auf weniger bekannte und weniger stark kontrollierte Online-Angebote wie etwa die russische Plattform vk.com aus. Ein Großteil der Kommunikation findet auch gar nicht öffentlich sichtbar statt, sondern in geschlossenen Gruppen, z. B. bei Telegram oder Facebook. Dorthin werden Jugendliche gelockt, die über öffentliche Portale kontaktiert wurden – und dort begegnet ihnen dann die wirkliche, teils brutale oder verstörende Propaganda.
Sowohl Rechtsextremist*innen als auch Islamist*innen sehen sich gerne in der Opferrolle. Sie geben vor, vom eigenen oder anderen Staaten unterdrückt zu werden. Rechtsextremist*innen in Deutschland sprechen oft von der sogenannten „Lügenpresse“. Sie werfen den Medien vor, von der Regierung gesteuert zu sein, weshalb rechtsextreme Meinungen keine Stimme hätten. Beide Gruppen äußern auch Kritik am Kapitalismus. Das ist besonders gefährlich. Denn Aspekte der Kritik sind durchaus berechtigt und werden von vielen jungen Menschen geteilt. Das nutzen Extremist*innen, um sie für ihre Sache zu gewinnen. In jüngerer Zeit werden aus beiden Lagern vermehrt wieder antisemitische (also gegen Jüd*innen gerichtete) Verschwörungsmythen verbreitet. Diese Verschwörungsmythen tauchen mittlerweile auch bei Musiker*innen auf, die bei Jugendlichen beliebt sind – z. B. in einigen Liedern des deutschen Rappers Kollegah.
Deshalb ist es besonders wichtig, dass Sie mit Ihrem Kind darüber sprechen, was es beschäftigt. Welche Themen werden im Freund*innenkreis besonders heiß diskutiert? Welche Bilder und Videos schauen sie sich an und teilen sie mit anderen? Thematisieren Sie auch die Ziele, die bestimmte Gruppierungen verfolgen, wenn sie Inhalte mit extremen politischen Aussagen ins Netz stellen.
Machen Sie Ihr Kind darauf aufmerksam, dass jede*r seine Meinung im Netz kundtun kann – auch Menschen mit schlechten Absichten. Deshalb darf man nicht allen Inhalten einfach trauen, sondern muss sie hinterfragen. Auf der Seite knowyourmeme.com lassen sich bekannte Memes inklusive ihrer Geschichte nachschlagen (leider ist die Seite nur in englischer Sprache verfügbar). Mimikama.org ist eine gute Anlaufstelle, um Meldungen aus Sozialen Netzwerken wie Facebook auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen.
Sollten Sie oder Ihr Kind auf offensichtlich extremistische Inhalte stoßen, können Sie diese direkt bei den Plattformbetreibern melden. Bei großen Angeboten wie Facebook und YouTube ist das mit wenigen Klicks erledigt. Sie können ganz allgemein auch die Internetbeschwerdestelle nutzen. In besonders schweren Fällen kann es sinnvoll sein, sich direkt an die Polizei zu wenden. In den meisten Bundesländern geht das mittlerweile online über eine sogenannte Onlinewache.
Nutzen Sie zusätzlich technische Jugendschutzeinstellungen. Diese können dabei helfen, die Kontaktaufnahme durch Fremde einzuschränken, zu blockieren oder stummzuschalten. Sie bieten zwar keinen vollständigen Schutz vor extremistischen Inhalten, können Ihr Kind aber zusätzlich absichern. Eine hilfreiche Plattform hierfür ist medien-kindersicher.de, die speziell für verschiedene Netzwerke – darunter Discord – Anleitungen für Jugendschutzeinstellungen bietet.
Um Jugendliche gegen Extremismus zu stärken, gibt es viele gute Angebote: